Stücke
für Maria
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In Desunt scheinen Entscheidungen zur Lage mit den Gliederungsprinzipien eng
verbunden, was von vornherein auf der Hand liegt, wird jedes der drei Instrumente
doch mit bestimmten Lagen assoziert. So beginnt der Alt alleine, und bleibt
auch im ganzen ersten Abschnitt ohne Gegenspieler; im zweiten Abschnitt bleibt
die Altstimme größtenteils im unteren Ende ihres Umfangs, vermutlich
um sich dem Cello anzupassen, mit dem es sich zu einer Stimme verflechtet. Diese
ist allerdings noch in hoch und tief geteilt, genau wie im anschließenden
Klaviereinsatz die zwei Hände des Klaviers ? hier aber mit viel deutlicherer
Zweiteilung, liegen die Hände doch wesentlich weiter auseinander, mit komplexen
unabhängigen Rhythmen. Als vorletzter Abschnitt kommt das "Album",
wo das Klavier ausgedehnte, weit gespreizte Akkorde spielt, bevor es mit seinem
Abstieg ins Baßregister den Cello?Einsatz einleitet. Mit diesem "Vers"
endet das Stück in eindeutig tiefer Lage, ohne die Wechsel und Zweideutigkeiten
des Vorangegangenen. Zweideutiges ist aber in anderer Hinsicht zu finden, nämlich
im stummen Spiel gegen Ende des Stücks. Der Zuschauer fragt sich in einem
solchen Fall, ob auf dem Instrument gerade gespielt wird, oder ob der Spieler
nur so tut, gerade wenn es Klänge gibt, die die Hörbarkeitsgrenze
kaum überschreiten; diese Wirkung tritt auch in der letzten Minute von
Desunt ein. Schließlich gibt es hier viele leise Klänge, bei denen
man sich vielleicht ein allmähliches Steigern dieser Stille vorstellen
kann, bis man aus der Entfernung zwischen Sitz und Bühne nichts mehr hören
kann. In diesem Sinne sind die stummen Töne auch als Musik zu verstehen,
nicht nur - wenn überhaupt ? als Theater. Eine Anspielung auf die Sichtbarkeit
des Spiels wäre in jeder Musik etwas natürliches; kein Kokettieren
mit den Konventionen der Bourgeoisie, sondern eine musikalische Äußerung.
Wenn kokettiert wird, dann eher mit den Grenzen der Wahrnehmung ? wann hört
man noch, und wann sieht man nur noch.? Im Schaffen eines Komponisten wie Hübler,
den schon immer musikalische Grenzsituationen angezogen haben, ist dies gewiß
keine Anomalie.
Wieland Hobau
HÖRSERMON
Klitterung für Sprecher, Violoncello und Klavier von Klaus K. Hübler
(1999)
GeschichtKLITTERUNG
nach DWb zu klittern, klüttern vb.: klecksen, eilig und schnell schreiben;
Flecken machen. Vgl. klittern , klüttern vb.: klappern, pochen, klopfen;
kleine, unnütze Sachen verfertigen; spintisieren.
"Ein Hörsermon ist ein Sermon vor dem Heer und zugleich ein Sermon
zum Hören."
" Fischart erlöst den Gegenstand aus seiner sprachlichen Starre."
aus: Johann Fischart: Geschichtklitterung ( 1590)
Worterläuterungen zum Text der Ausgabe letzter Hand
von 1590 nach der Neuausgabe 1963
von Ute Nyssen
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