Violeta
Dinescu
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Werke
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Die Komponistin Violeta Dinescu wurde 1953 in Rumänien geboren. Sie machte
in Bukarest ihr Abitur. Ein
George-Enescu-Stipendium ebnete ihr den Weg in die Künstlerkarriere. 1977, nach
Beendigung ihres Musikstudiums an dem Conservatorium Ciprian Porumbescu in Bukarest
mit Auszeichnungen und drei Diplomen in Komposition, Klavier und Pädagogik,
schloß sich ein intensives Studienjahr für Komposition bei Myriam Marbe an.
Bereits 1978 erhielt sie in Bukarest eine Dozentur für Musiktheorie, Klavier
und Ästhetik an der Musikschule George Enescu. Aufsätze über musikwissenschaftliche
und musikhistorische Themen sowie die Mitarbeit an einer mehrbändigen Publikation
über Palestrina folgten.
1980 wurde Violeta Dinescu in den rumänischen Komponistenverband aufgenommen.
Ihre bisher entstandene Werke erlebten im In- und Ausland erfolgreiche Aufführungen.
1982 übersiedelte sie in die Bundesrepublik. Für ihr kompositorisches Schaffen
erhielt sie seitdem mehr als 50 internationale Auszeichnungen. Es folgten Lehraufträge
und Gastvorlesungen an amerikanischen Universitäten und weitere Dozenturen an
Musikhochschulen in Deutschland .
Ihre Werke werden in den meisten europäischen Ländern, inden USA, Südafrika
und Australien aufgeführt. Violeta Dinescu ist Vorstandsmitglied der "International
League of Woman Composers" in New York. Ihr Schaffen umfaßt mehrere Orchsterstücke,
Kammermusikwerke, Vokal- und Chorkompositionen, Opern, ein Ballett, Filmmusik,
ein Oratorium und elektronische Musik. Seit 1990 ist Violeta Dinescu Dozentin
für Musiktheorie an der Fachakademie für Kirchenmusik in Bayreuth.
Zu den wichtigsten Auftragswerken der letzten Jahre zählen unter anderem das
Orchesterstück AKROSTICHON (Wiblinger Festspiele 1983), das Ballett DER KREISEL
(Ulmer Theater 1985), die Oper HUNGER UND DURST (Freiburger Theater 1986), die
Kinderoper DER 35.MAI (Nationaltheater Mannheim 1986), die Musik zu F.W. Murnaus
Stummfilm TABU (Alte Oper Frankfurt 1988), die Oper ERENDIRA (Münchener Biennale
1992) und SCHACHNOVELLE nach S. Zweig (Schwetzinger Festspiele 1994).
Die Künstlerin weiß auch in der kleinen, kammermusikalischen Form, das auszudrücken,
was ihr am Herzen liegt: "das Leben in den Tönen zu erfassen". Dabei bilden
verschiedene Elemente wie Tonhöhe, Rhythmus, Modus und Struktur eine musikalische
Einheit. "... bei jeder Komposition versuche ich am Anfang eine Rechtfertigung
für die Organisation des musikalischen Materials zu finden, indem ich fortwährend
nach einer Sphäre, einer Vorstellung suche, wo die Flut der Phantasie mit der
Rigorosität des formbildenden Gedankens zusammentrifft. Komponieren ist für
mich eine Lebensstruktur, etwas, das mein ganzes Leben durchzieht..."
Jutta Bergengruen
Auswahl
ihrer Werke
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ICHTYS | Violine, Violoncello und Klavier |
ALTERNANZEN | Bläserquintett |
AUF DER SUCHE NACH MOZART | Flöte, Fagott, Horn, Saxophon, Violine,Harfe, und Klavier/Celesta |
TERRA LONHDANA | Kammerensemble |
MAP 67 | Kammerensemble |
VERWANDLUNGEN | Orchester |
ANNA PERENNA | Orchester |
MEMORIES | Streichorchester |
AKROSTICHON | Orchester |
MONDNÄCHTE | Singstimme, Saxophon und Schlagzeug |
DONA NOBIS PACEM | Singstimme, Violoncello mit Schlagwerk |
ZEBAOTH | Bariton und zwei Orgeln |
CONCERTINO | Orchester mit Singstimme |
BLIUMENLIED | Chor a cappella |
VERZAUBERE MICH IN EINEN SILBERVOGEL... | Chor und Orchester |
HUNGER UND DURST |
Kammeroper nach Eugene Ionesco |
DER 35. MAI | Kinderoper nach Erich Kästner |
ERÉNDIRA | Kammeroper nach Gabriel Garcia Marquez |
PFINGSTORATORIUM | Solisten, zwei Chöre, Bläser, Blechbläserund Schlagzeug |
SCHACHNOVELLE | Komposition nach Stefan Zweig |
Violeta Dinescu ? eine erkennbare persönliche Sprache
Monodie
Einer der Schlüsselbegriffe für Violeta Dinescus Musik ist zweifellos
die "Monodie" ? und zwar sowohl in der antiken Wortbedeutung einer
"allein singenden", meist klagenden Stimme als auch im humanistischen
Sinn eines affekthaltigen Ausdeutens menschlicher Gefühlszustände.
Gleichzeitig wurzelt Violeta Dinescus Auffassung von Monodie tief in der Folklore
ihrer rumänischen Heimat. Aus einer zumeist nach deklamatorischen Prinzipien
aufgebauten vokalen oder instrumentalen Kantilene erwächst eine Musik,
die selbst dort von geradezu sprechender Intensität ist, wo allein der
Titel des Werks auf mögliche Inhalte verweist. Indem die melodische Linie
fast unmerklich von einem Instrument zum nächsten
weitergegeben wird und die einzelnen Stimmen einander ununterbrochen abwechseln,
entsteht ein ausgedehnter Monolog in unterschiedlichen Klangfärbungen und
Beleuchtungen.
Erweitert wird diese Form der Monodie durch eine Vorliebe für ornamentale
Verzierungen, wie sie vom nordrumänischen "Cantec Lung" oder
von byzantinischen Gesängen inspiriert sein könnten: Ein zentraler
Melodieton wird von mehr oder weniger ausgedehnten Melismen umspielt oder durch
rasche Figurationen eingeleitet, um dann mit einer arabeskenartigen Bewegung
wieder verlassen zu werden.
Dieses Verfahren verbindet sich mit einer Art Parlando?Rubato ? einem freirhythmischen,
nicht metrisch gebundenem Musizieren, wie es am deutlichsten in der "Doina"
(einem Genre der rumänischen Volksmusik), aber wieder auch im byzantinischen
Gesang zur Geltung kommt. Parlando?Rubato und die Freiheit der melismatischen
Verzierungspraxis wirken zusammen, beeinflussen den inneren Ablauf der Musik
und erzeugen sozusagen eine "schwebende Zeit", die in ein stetes Wechselspiel
mit der chronometrisch organisierten "berechneten Zeit" gesetzt wird.
Am deutlichsten zeigt sich dies, wenn Monodie, Ornament und Parlando?Rubato
in langen Solo? oder Unisono?Passagen auf geradezu improvisatorisch?rhapsodische
Weise verwachsen. Die gleichsam redende Kraft der Kantilene scheint einen Raum
jenseits der Zeit zu eröffnen und spannt sich dabei wie ein Brückenbogen
von einem strukturellen Fixpunkt zum nächsten.
Heterophonie
Vor allem in Kompositionen mit größerer Besetzung weitet sich das
Monodie?Prinzip zur Heterophonie aus. Eine zentrale Melodielinie wird im Detail
individuell modifiziert, horizontal aufgebrochen, farblich variiert und durch
Zusammenklänge und akkordische Knotenbildungen angereichert. Der Eindruck
von elastischem Zusammengehen und die Wahrnehmung eines organischen, fast wie
von selbst entstehenden Wachsens aus einem komponierten Kern heraus suggerieren
ein gewisses Moment des Zufälligen, aber bei Violeta Dinescu ist der Zufall
stets kontrolliert, kanalisiert und in vorbestimmte Bahnen gelenkt. Selbst solche
Passagen, in denen sie durch graphische Notation an die Phantasie der Ausführenden
appelliert oder die Interpreten durch eine gesteuerte, eng umgrenzte Aleatorik
selbst zu Mitschöpfern der Musik macht, sind fest in den Zusammenhang des
Werks integriert. Der planende, steuernde und gestaltende Wille der Komponistin
läßt keinerlei Willkür zu.
Dementsprechend erschöpft sich auch Violeta Dinescus Verhältnis zu
authentischer Volksmusik nicht in einfacher Übernahme oder detailgetreuer
Nachahmung. Vielmehr läßt sich die Komponistin von grundlegenden
Verfahrensweisen (wie etwa der genannten Monodie oder der Verzierungstechnik)
inspirieren und filtert aus ihnen charakteristische Elemente und Methoden heraus,
welche als abstrahierte Momente ein "Prinzip Folklore", ein "Prinzip
Heterophonie" bilden. Erst diese fungieren dann als Ausgangspunkte für
eigene Konzepte und Kompositionsprozesse.
Überlagerungen
Durch das "Prinzip Heterophonie" verwandelt sich die melodische Linie
in eine von mehreren strukturellen Schichten der Komposition. Violeta Dinescu
liebt es, wenn unterschiedliche Abläufe einander überlagern. Dadurch
erhält ihre Musik einen "geologischen Aspekt", wie der Musikschriftsteller
Josef Häussler es genannt hat: Ihre Werke erinnern an die graphische Darstellung
einer Erdformation mit horizontalen Verläufen, Biegungen und Krümmungen,
Ausstülpungen und Einschnitten, Adern, Vertiefungen und Einbrüchen.
Dabei werden Verfahren der Monodie, Homophonie, Polyphonie und Heterophonie
flexibel kombiniert, sie changieren und überlagern einander ständig
und in unterschiedlichen Dichten.
Weil dieser schichtweise Aufbau Hand in Hand mit der oben beschriebenen ornamentalen
Komponente geht, kommt es unweigerlich zu einer hohen Komplexität der Linien,
Zusammenklänge und Farben.
Dadurch, daß der musikalische Ablauf in sich beweglich pulsiert, entstehen
eine ganz eigene Art der Rhetorik sowie eine kompositorische Textur, die man
in ihrer Besonderheit als ein "musikalisch?räumliches Denken"
bezeichnen könnte: Vorder?, Mittel? und Hintergrund der Komposition werden
unterschiedlich ausgestaltet und in eigenständige Klangräume übersetzt,
die subtil miteinander verwoben sind.
Modi
Das Prinzip der Heterophonie besagt bereits, daß Violeta Dinescus Musik
weder auf dem tonalen Dur
Moll?System noch auf zwölftönigen Reihenstrukturen basiert. Statt
dessen arbeitet die Komponistin mit
" Modi, d. h. mit einer begrenzten Auswahl von Tönen, die sie mit
Hilfe selbst entworfener
Auswahlverfahren zusammenstellt und den Bedürfnissen der geplanten Komposition
anpaßt. Diese Modi prägen nicht nur die einzelnen Melodieverläufe,
sondern erzeugen in vertikaler Schichtung auch die charakteristischen Klangfelder
von Violeta Dinescus Musik. Der Eindruck kontrollierter Freiheit, der beim Hören
ihrer Werke entsteht, hat seine Wurzeln in Violeta
Dinescus früher Beschäftigung mit Mathematik und Naturwissenschaft.
Deren Gesetze spiegeln sich
nicht selten im Aufbau ihrer Kompositionen wider. Mathematische Daten, Prozesse
und Permutationen beeinflussen die formale Gestaltung und kontrollieren die
Konstruktion der Musik. Spielerisch werden arithmetische und logarithmische
Kombinationen integriert. Aber auch wenn rationale Strukturen die Organisation
des kompositorischen Materials mitbestimmen, sind sie dem konkreten klanglichen
Ergebnis nur selten ? wenn überhaupt? abzulauschen. Naturwissenschaftliche
Genauigkeit und intuitive Freiheit gehen bei Violeta Dinescu Hand in Hand und
befinden sich in steter Wechselwirkung. Ebenso wichtig wie das strenge Ordnen
des Materials im Anfangsstadium der Komposition ist ihr der Anteil der Phantasie
während der Ausarbeitungsphase. Und diese Sehnsucht nach Freiheit in einer
Welt, die durch gewissermaßen objektivierbare, vernunfthaltige Gesetze
vorstrukturiert ist, gibt sie an Interpreten und Zuhörer weiter: In den
von der Komponistin gesetzten Grenzen hat die eigenschöpferische Phantasie
des spielenden, mitgestaltenden und werkvermittelnden Individuums seinen eigenen
Raum.
Violeta Dinescu gehört zu den erfolgreichsten Komponistinnen neuer Musik. Ihr
umfangreiches Kammermusikalisches Werk ergänzte sie in den letzten Jahren durch
drei Opern, die den Bekanntschaftsgrad der Rumänin weiter steigerten. Ihre Bühnenwerke
bleiben keine Eintagsfliegen, die wie die meiste zeitgenössische Musik nach
der Uraufführung in der Versenkung verschwinden, sondern werden wie ihre im
letzten Jahr in München erstmals gespielte ERENDIRA von anderen Häusern übernommen.
Die Kurpfalz ist nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung, schließlich gewann
Vioteta Dinescu schon 1982 den Internationalen Komponistinnenwettbewerb der
Mannheimer GEDOK, das hiesige Nationaltheater brachte als erste Bühne ihre Kinderoper
DER 35.MAI heraus. Vor 11 Jahren unterstützte die Heidelberger GEDOK die junge
Rumänin bei der Übersiedlung nach Deutschland, von wo aus die Komponistin ihre
weltweite Karriere begann. Gründe genug also für die GEDOK Heidelberg ein Konzert
zum 40. Geburtstag zu veranstalten.
Mathias Schmitt, Mannheimer Morgen, 28.9.1993
In ihrer Komposition TAUTROPFEN, die im Bürgersaal des Weinheimer Schlosses
uraufgeführt wurde, hat Violeta Dinescu alle direkten folkloristischen Ansätze
weitgehend abstrahiert, bestehen diese vor allem durch den reinen Spielgestus
fort und nicht in melodischen Anleihen: in Arabesken, Trillern, Glissandi und
geschmeidigen Fiorituren. TAUTROPFEN ist eine Hommage an Gudrun Wassermanns
Gemälde "Szenen eines Parks" und spiegelt nach Worten der Komponistin einerseits
die Atmosphäre eines poetischen Raumes, andererseits das kaleidoskopische Bild
eines fast visuellen Motivs .....
Rainer Köhl, Rhein. Neckar-Zeitung, 3.8.1993
Die Kinderoper DER 35.MAI ...Violeta Dinescu ging mit Esprit und leichter Hand
ans Werk. Nach den vom Ionesco-Stoff ihrer ersten Oper HUNGER UND DURST heraufbeschworenen
musikalischen Schrecken, bedrückenden Traumbildern und quälenden Obsessionen
fand die Komponistin jetzt zu einer heiter gelösten, anmutigen, Temperament
und Witz sprühenden und bei aller Sinnfälligkeit nicht minder kunstvoll konzipierten
Tonsprache. Am Anfang war der Ton, könnte man bei dieser Partitur feststellen,
die den Hörer gleich in den ersten Takten durch frappanten Farbenreichtum ihrer
grellen, schillerndem, aparten, bisweilen exotischen Klangkonstellationen gefangennimmt
Opemwelt, Nr.2, 1987 ...
Die Rumänin Violeta Dinescu schuf zu F. W. Murnaus aufregend schönen Stummfilm
TABU eine neue Musik. Sie kommentiert stark und selbstständig die Bilder, vollzieht
auf eigene Weise Stimmungen und Gefühle nach, ist- zumal in der Weise wie das
Ensemble Modern unter Kasper de Roo sie spielt -dem Film ein wirklicher Partner
....
Frankfurter Neue Post, 8.4.1988 ...
Die ungemein farbige, intensive Musik, deren Wirkung keinerlei elektronischer
Hilfsmittel bedarf, sondern mit traditionellen Instrumenten des Orchesters des
20. Jahunderts erzielt wird, wurde vom Publikum bei der Wiener Festwoche mit
viel Applaus bedacht...
Salzburger Nachrichten, 19.5.1988 ...
Violeta Dinescu setzt den Stoff der Handlung in ein überaus poetisches
und differenziertes Klangbild. Mit frei gestalteter Notation trug sie dem Live?Charakter
einer musikalischen Begleitung vollauf Rechnung...
Wiesbadener Kurier, 7.4.1988
Zu diesem Gemälde von Gudrun Wassermann schrieb Violeta Dinescu das Stück "Tautropfen" für Klarinette und Klavier
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